Kreuzverschlag beim Pferd – eine Krankheit mit vielfältigen Ursachen
Für den Kreuzverschlag beim Pferd gibt es zahlreiche Synonyme wie Lumbago, Feiertagskrankheit, Rhabdomyolyse oder Tying up. Hinter all diesen Namen verbirgt sich dieselbe Krankheit: Es handelt sich dabei um eine Erkrankung der Muskulatur. Sie kann sowohl bei Grosspferden als auch bei Ponys und innerhalb aller Rassen auftreten, wobei bestimmte Rassen genetisch vorbelastet sind. Kreuzverschlag gibt es sowohl bei alten als auch bei jungen Pferden. Wie sich Kreuzverschlag beim Pferd äussert und welche Möglichkeiten der Therapie es gibt, erfahren Sie hier.
Was ist Kreuzverschlag?
Wie der Name schon sagt, spielt sich das Krankheitsgeschehen beim Kreuzverschlag vornehmlich in der Muskulatur des Rückens und der Kruppenregion eines Pferdes ab. Aufgrund verschiedener Ursachen kommt es im Rahmen der Krankheit zu einer massiven Schädigung von Muskelzellen, welche anschliessend absterben und zerfallen.
Wie äussert sich Kreuzverschlag beim Pferd?
Zu den typischen Symptomen von Kreuzverschlag zählen eine warme, geschwollene und verhärtete Muskulatur im Rücken- und Kruppenbereich sowie starkes Schwitzen. Teilweise werden diese Anzeichen auch von einem Zittern der Muskulatur begleitet und die Pferde wollen sich von einem auf den anderen Moment keinen Schritt mehr bewegen, da sie grosse Schmerzen haben.
Ausserdem zeigt der Urin der betroffenen Pferde oft eine dunkle, braunrote Färbung. Die Symptome können je nach Schweregrad des Kreuzverschlags variieren: Bei einem leichten Kreuzverschlag fallen sie deutlich milder aus als bei einer schweren Form.
Allerdings sind die Anzeichen nicht in allen Fällen so eindeutig und einfach zu erkennen. Je nachdem, welche Ursache dem Kreuzverschlag zugrunde liegt, können die Symptome auch sehr viel subtiler auftreten und für den Besitzer schwer als Kreuzverschlag zu identifizieren sein.
Kreuzverschlag beim Pferd erkennen
Eine eindeutige Diagnose von Kreuzverschlag kann über eine Blutprobe des Pferdes gestellt werden. Die Blutwerte geben Auskunft über den Zustand der Muskelenzyme. Sind diese eklatant erhöht, ist das ein sicheres Anzeichen für das massive Absterben von Muskelzellen.
Über eine Muskelbiopsie kann die Diagnose zusätzlich abgesichert werden.
Wie bekommt ein Pferd Kreuzverschlag?
Alle Formen des Kreuzverschlags haben gemeinsam, dass sie durch eine Schädigung der Muskelzellen entstehen und deren Folgeerscheinungen die beschriebenen Symptome auslösen. Wie es genau zu der Zerstörung der Muskulatur kommt, ist jedoch sehr unterschiedlich.
Die möglichen Ursachen für einen Kreuzverschlag beim Pferd können in zwei Gruppen eingeteilt werden:
- belastungsinduziert (durch Überbelastung ausgelöst)
- nicht-belastungsinduziert (belastungsunabhängig)
Im Folgenden stellen wir Ihnen die beiden Formen des Kreuzverschlags näher vor.
Belastungsinduzierter Kreuzverschlag beim Pferd
Kreuzverschlag tritt häufig bei Pferden auf, die über einen oder mehrere Tage nicht bewegt wurden, aber trotzdem weiterhin die gleiche Ration an Kraftfutter bekommen haben. Werden sie nach der Ruhepause dann plötzlich wieder voll belastet, kommt es zum Kreuzverschlag. Deshalb wird der Kreuzverschlag auch als „Feiertagskrankheit“ bezeichnet.
Ein belastungsinduzierter Kreuzverschlag kann auch bei Pferden vorkommen, deren Trainingspensum plötzlich unverhältnismässig stark erhöht wird oder bei Pferden, die vor einer starken Trainingseinheit nicht ordentlich aufgewärmt wurden.
Pferd hat Kreuzverschlag – was passiert genau?
Beim Kreuzverschlag kommt es zu einer übermässigen Speicherung von Glycogen (eine Form der Zuckerart Glukose) in den Muskelzellen. Wird das Pferd dann plötzlich wieder geritten, also belastet, kann der Zucker in den Muskelzellen nicht schnell genug verstoffwechselt werden und es entstehen toxische Abbauprodukte, die die Zelle schädigen und zu deren Absterben führen.
Die Folge ist eine starke Entzündungsreaktion im Bereich der geschädigten Muskulatur, welche sich auch auf die Nieren auswirken kann. Durch die Zerstörung der Muskelzellen wird der Muskelfarbstoff Myoglobin frei und gelangt in die Blutbahn. In der Niere und wird er gefiltert und mit dem Harn ausgeschieden, der sich dann typischerweise braunrot verfärbt.
Folgen für das Pferd nach einem Kreuzverschlag
Der Kreuzverschlag selbst ist meist nicht von langer Dauer: Sobald die Symptome auftreten, hat die Schädigung der Muskelzellen bereits stattgefunden und ist nicht mehr rückgängig zu machen. Der Schweregrad des Kreuzverschlags lässt sich anhand der Erhöhung der Blutwerte bestimmen. Dies ist ebenfalls ein Indikator für die Schwere der möglichen Folgen.
Bei einem leichten Kreuzverschlag kann sich das Pferd wieder vollständig regenerieren, sodass keine Spätfolgen zurückbleiben. Ab wann das Training nach dem Kreuzverschlag wieder aufgenommen werden kann, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und sollte mit dem behandelnden Tierarzt abgesprochen werden.
Fällt durch die Muskelschädigung jedoch mehr Myoglobin an, als die Niere des Pferdes bewältigen, das heisst ausscheiden kann, verstopfen ihre Kanäle und es kommt zur Zerstörung von Nierengewebe. Dies kann im schlimmsten Fall zu einem tödlichen Nierenversagen führen.
Kreuzverschlag beim Pferd vermeiden
Um die Gefahr eines belastungsinduzierten Kreuzverschlags beim Pferd möglichst gering zu halten, sollte der Besitzer darauf achten, zum einen das Arbeitspensum des Pferdes entsprechend seines Trainingszustands zu gestalten und zum anderen die Futterration an die aktuelle Belastung anzupassen. Ausreichende Aufwärmphasen und eine langsame, schrittweise Steigerung des Trainings sollten ebenfalls berücksichtigt werden, um das Pferd gesund zu erhalten.
Nicht-belastungsinduzierter Kreuzverschlag beim Pferd
Ein Kreuzverschlag kann – wie bereits erwähnt – nicht nur durch Überbelastung hervorgerufen werden, sondern auch andere Gründe haben. Bei den nicht-belastungsinduzierten Formen des Kreuzverschlags beim Pferd gibt es folgende Kategorien der möglichen Ursachen:
- infektiös
- toxisch (giftig)
- nutritiv (ernährungsbedingt)
- metabolisch (stoffwechselbedingt)
Die möglichen Ursachen eines belastungsunabhängigen Kreuzverschlags stellen wir Ihnen im Folgenden näher vor.
Infektiöse Ursachen
Eine Zerstörung von Muskelzellen kann die Folge bestimmter Erkrankungen sein, bei der sich das Pferd mit Erregern wie Viren oder Bakterien infiziert hat. Bei einer bakteriellen Infektion mit Clostridien kann es zum Beispiel zum gehäuften Absterben von Muskulatur kommen, das dann ähnliche Symptome wie beim belastungsinduzierten Kreuzverschlag hervorruft.
Toxische Ursachen
Auch Toxine können die Muskulatur eines Pferdes schädigen, so zum Beispiel im Falle der Atypischen Weidemyoglobinurie. Lange Zeit war unklar, welche pathologischen Mechanismen dieser Krankheit zugrunde liegen. Da sie häufig im Herbst und Winter auftritt, wurde vermutet, dass sie mitunter durch Kälte verursacht wird.
Mittlerweile weiss man jedoch, dass die giftigen Samen des Bergahorns der Auslöser der Zellschädigung sind. Pferde, die auf Weiden stehen, fressen die Baumsamen, wenn diese ins Gras fallen und vergiften sich so. Fälle von Atypischer Weidemyoglobinurie haben eine sehr ungünstige Prognose und verlaufen meist tödlich.
Nutritive Ursachen
Ein Kreuzverschlag beim Pferd kann zudem durch Mangelernährung ausgelöst werden. Vitamin E und Selen sind zwei essentielle Komponenten für eine intakte und gesunde Muskelzelle. Werden sie nicht ausreichend über die Nahrung aufgenommen, kann die Muskulatur Schaden nehmen. Besonders bei Fohlen tritt diese Form der Muskeldegeneration auf und wird als Weissmuskelkrankheit bezeichnet.
Um einem ernährungsbedingten Kreuzverschlag beim Pferd vorzubeugen, können Vitamin E und Selen über spezielles Pferdefutter substituiert werden. Zuvor sollte allerdings in jedem Fall vom Tierarzt ein Blutbild gemacht werden, da eine Überversorgung mit Vitamin E und Selen ebenfalls schädlich sein kann.
Metabolische Ursachen
Ein Kreuzverschlag beim Pferd kann ausserdem durch komplexe Störungen des Muskelstoffwechsels verursacht werden. Diese sind erblich bedingt und treten gehäuft – aber nicht ausschliesslich – bei bestimmten Rassen auf.
Liegt eine Störung des Muskelmetabolismus zugrunde, handelt es sich um eine chronische Form des Kreuzverschlags.
Man unterscheidet bei den metabolischen Ursachen von Kreuzverschlag folgende Pferdekrankheiten:
- Recurrent exertional rhabdomyolysis (RER)
- Polysaccharid Speicher Myopathie (PSSM)
Chronischer Kreuzverschlag durch RER
Der chronische Kreuzverschlag durch RER verläuft oft viel milder als ein typischer akuter Kreuzverschlag und kann vom Besitzer sogar leicht übersehen werden. Die betroffenen Pferde zeigen sich grundsätzlich steif beim Reiten, schwitzen mehr und bringen weniger Leistung.
Bei RER kommt es auf zellulärer Ebene Tag für Tag zu ganz leichten, unbemerkten Kreuzverschlägen, bei denen Muskelzellen zugrunde gehen. Aber erst wenn die Zerstörung ein bestimmtes Mass erreicht hat, wird sie auch für den Besitzer offensichtlich.
Trotz dieses meist milden Verlaufs sind auch hier schwere akute Verlaufsformen mit der typischen Symptomatik des Kreuzverschlags möglich.
RER häufig bei Vollblütern
Vor allem Vollblüter mit ihrem nervösen und stressempfindlichen Temperament leiden oft an RER. Selbst wenn der Besitzer ein angemessenes Trainingsprogramm einhält und das Pferd korrekt füttert, reicht dies nicht aus, um einen Kreuzverschlag vorzubeugen.
Umstände, die einem gesunden Pferd nicht viel ausmachen, wie zum Beispiel ein leichtes Ungleichgewicht in der Versorgung mit Vitamin E und Selen sowie zusätzlich eine stressige Situation, können bei einem Pferd, das an RER leidet, bereits ausreichen, um einen Kreuzverschlag auszulösen.
PSSM als Auslöser von Kreuzverschlag
Eine weitere Stoffwechselerkrankung, die Kreuzverschlag zur Folge hat, ist die Polysaccharid Speicher Myopathie, was übersetzt so viel bedeutet wie Zuckerspeicherkrankheit. Sie tritt vor allem bei amerikanischen Rassen wie den Quarter Horses auf und ist ebenfalls vererblich.
Stoffwechselerkrankung erkennen
Auch bei den chronischen Formen des Kreuzverschlags wird die Diagnose über die Blutwerte gestellt. Die betroffenen Pferde zeigen teilweise sogar erhöhte Muskelenzymwerte ohne überhaupt belastet worden zu sein.
Für PSSM gibt es ausserdem einen Gentest. Zur weiteren Sicherung der Diagnose kann auch hier eine Muskelbiopsie untersucht werden.
Akuter Kreuzverschlag beim Pferd – was tun?
Im Falle eines akuten Kreuzverschlags muss sofort reagiert werden. Zunächst ist es sehr wichtig, das Pferd auf keinen Fall weiter zu bewegen, wenn der Verdacht auf Kreuzverschlag besteht. Ein Tierarzt sollte umgehend verständigt werden und bis zu seinem Eintreffen sollte das Pferd nach Möglichkeit ruhig und warmgehalten werden.
Der Tierarzt kann das Pferd mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Medikamenten behandeln und eine Infusion verabreichen. Durch diese wird der Flüssigkeitsverlust durch das starke Schwitzen ausgeglichen. Zudem werden dadurch die Nieren gespült, die durch das Myoglobin stark belastet und dauerhaft geschädigt werden können.
Alternative Behandlung
Früher wurde bei Pferden mit Kreuzverschlag ein Aderlass durchgeführt. Aderlass ist jedoch eine überholte Methode und wird heute nicht mehr praktiziert. Auch Homöopathie ist kein sinnvolles Mittel zur Behandlung eines akuten Kreuzverschlags, da es sich hierbei um einen medizinischen Notfall handelt, der den Einsatz schulmedizinischer Medikamente erfordert.
Langfristige Therapie bei Kreuzverschlag
Um ein erneutes Auftreten eines Kreuzverschlags beim Pferd zu vermeiden, sollten möglichst die Ursachen der Erkrankung behoben werden. Dazu gehören die Anpassung der Futterration und des Arbeitspensums sowie eine ausreichende Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen und die Behandlung eventuell vorliegender bakterieller Infektionen.
WEITERE ARTIKEL
Was tun bei chronischem Kreuzverschlag?
Liegt eine der beschriebenen Muskelstoffwechselstörungen vor, ist es nicht möglich, die Ursache zu beseitigen, da diese Erkrankungen nicht heilbar sind. Hier hat die Erfahrung gezeigt, dass lediglich durch umsichtiges Management versucht werden kann, das Risiko für einen Kreuzverschlag gering zu halten.
Die Fütterung spielt dabei eine wichtige Rolle: Das Pferdefutter sollte nur einen geringen Anteil an Kohlenhydraten und dafür aber vermehrt Fett enthalten. Ausserdem sollten Stress und zu grosse Belastung unbedingt vermieden werden.
Für Pferde, die an RER oder PSSM leiden, ist regelmässige, gleichbleibende und moderate Bewegung am besten; Tage absoluter Boxenruhe sind bei solchen Pferden zu vermeiden, da sie das Krankheitsgeschehen nur verschlechtern würden.